Die Fähigkeit, innovativ zu denken und zu handeln, wird über die Zukunft von Unternehmen entscheiden. Gleichzeitig aber führt das klassische Innovationsmanagement, das von der Idee bis zur Umsetzung linear verläuft, oft nicht mehr zu wettbewerbsfähigen Ergebnissen. Wie also können Unternehmen ihre Prozesse offener gestalten sowie die Kreativität ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fördern?

22. September 2020

Forscher fordern neue Innovationskultur“, titelte der Harvard Business Manager im Juni dieses Jahres. Anlass war die ISPIM Innovationskonferenz in Budapest, an der 400 Interessierte aus 30 Ländern teilnahmen. Sie diskutierten die aktuelle Entwicklung: Innovationsfähigkeit wird für Unternehmen immer wichtiger, doch die Anforderungen haben sich geändert. Zwei Kernpunkte sind dabei besonders wichtig:

  1. Vielen Unternehmen fehlt eine Kultur, die Kreativität ausreichend fördert und belohnt.
  2. In den etablierten Prozessen der Ideenfindung und -umsetzung kommt der Nutzer nicht oder zu spät vor.

Das frühe Einbeziehen verschiedener Akteure sowie potenzieller Nutzerinnen in Innovationsprozesse bezeichnet man als „Open Innovation“. Damit diese Form des Innovationsmanagements gelingt, brauchen Organisationen bestimmte kulturelle Voraussetzungen.

Frühe Kritik tötet die Kreativität

Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung und des Forschungsinstituts IW Consult vom Oktober 2019 verfügt jedoch nur ein Viertel der deutschen Unternehmen über die nötige Innovationskompetenz und entsprechende Kultur, um ihre Wettbewerbsposition langfristig zu sichern. Doch schauen wir erstmal, woran man erkennt, ob ein Unternehmen über Innovationskompetenz verfügt. Dafür gibt es drei Indizien:

  • Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entwickeln gerne und häufig neue Ideen.
  • Aus den Ideen entstehen relativ schnell Prototypen.
  • Diese werden ebenfalls zügig von potenziellen Nutzern getestet.

Doch damit Ideen sprudeln können und Mitarbeiter Lust haben, sich einzubringen, muss das Umfeld stimmen. Eine entsprechende Unternehmenskultur erfüllt folgende Kriterien:

  • Führungskräfte und Kollegen nehmen neue Ideen positiv auf, weder bewerten noch kritisieren sie diese.
  • Das Unternehmen geht im Kreativitätsprozess bewusst wirtschaftliche Risiken ein, denn Ideenfindung läuft nicht effizient ab.
  • Fehler und Scheitern werden als selbstverständliche und sogar erwünschte Begleiter von Kreativität angesehen.
  • Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Ebenen sind bereit, aus Erfolgen und Misserfolgen zu lernen.
Abschied von alten Mustern

Gerade die Anforderung, neue Ideen nicht zu bewerten und zu kritisieren, bedeutet für die meisten von uns eine grundlegende und schwierige Verhaltensänderung. Denn wir sind von Kindheit an darauf geeicht, Fehler als schlecht anzusehen und sie zu vermeiden. Damit hemmen wir aber gleichzeitig unsere Kreativität. Andere Menschen und uns selbst entmutigen wir mit Einschätzungen wie „Ich glaube nicht, dass das funktioniert.“ oder „Das wird dem Kunden nicht gefallen“.

Natürlich müssen in einem Innovationsprozess auch Ideen aussortiert werden, denn nicht alle lassen sich weiterentwickeln. Doch diese Phase sollte auf keinen Fall zu früh beginnen. Es ist sogar sehr wichtig, dass ausreichend „wilde“ Ideen entstehen, denn sie haben ein besonders großes Innovationspotenzial. JEDE Idee ist grundsätzlich zu würdigen!Hier müssen vor allem die Führungskräfte mit gutem Beispiel vorangehen.

Die Zusammensetzung des Teams

Neben den Voraussetzungen für kreatives Arbeiten entscheidet auch die Teamzusammensetzung über den Erfolg von Kreativprozessen. Es hat sich gezeigt, dass diverse Teams besonders kreativ sind. Unterschiedliche Persönlichkeiten, kulturelle Einflüsse, Altersunterschiede und fachliche Kompetenzen sind hilfreich. Sind die Unterschiede allerdings so groß, dass eine Einigung auf ein gemeinsames Vorgehen kaum möglich ist, dreht sich dieser Faktor ins Negative.

Bei der Auswahl neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten die Verantwortlichen den Blick bewusst auf Kompetenzen richten, die für Kreativität und Innovationskraft im Unternehmen wichtig ist. Dazu zählen

  • Flexibilität
  • soziale Kompetenz
  • Fehlerakzeptanz
  • die Fähigkeit, Unsicherheiten auszuhalten

Es wird wenige Kandidaten geben, die all diese Kompetenzen bereits voll ausgebildet mitbringen. Daher kommt der Freude, zu lernen und sich weiterzuentwickeln, eine besonders große Bedeutung zu.

Schleifen führen zum Ziel

Auch ein ausreichend diverses Team mit den nötigen Kompetenzen wird nur dann kreativ arbeiten, wenn es entsprechende Methoden kennt und anwenden kann. Gerade in der derzeitigen Umbruchsphase, in der Unternehmen neue Prozesse einführen und ausprobieren, geben moderne Methoden wie etwa Design Thinking Orientierung. Sie führen einerseits durch den Kreativitätsprozess und sorgen andererseits dafür, dass sich dieser immer wieder öffnet, etwa um das Feedback potenzieller Nutzer einzuholen. Denn im Gegensatz zum früheren linearen Innovationsmanagement bauen diese Kreativmethoden mehrere Schleifen ein. Sie dienen dazu, die Kundenbedürfnisse genauer zu verstehen und sich ihnen immer weiter anzunähern. So kann es auch vorkommen, dass nach einem Test durch einen potenziellen Kunden eine bereits verworfene Idee wieder aufersteht und weiterentwickelt wird.

Wirtschaftliche und persönliche Vorteile

Eine starke Innovationskraft macht Unternehmen langfristig wettbewerbsfähig. Kurzfristig bedeutet Kreativität eine Investition in die Zukunft. Doch es gibt noch einen anderen Vorteil: Kreativität macht Spaß! Unternehmen, die Raum dafür bieten und das auch wirkungsvoll kommunizieren, werden als besonders attraktive Arbeitgeber angesehen. Sie ziehen genau die Kandidatinnen und Kandidaten an, die sie wiederum für eine kreative Kultur brauchen. So beißt sich die Katze in den Schwanz – in vollkommen positiver Weise natürlich!