Greenwashing, Pinkwashing, Purplewashing: Virtue Signalling kommt in den verschiedenfarbigsten Gewänden daher. Im Kern aber steckt immer das gleiche Problem; nämlich, dass eben nicht das drin ist, was öffentlichkeitswirksam draufsteht. Trotzdem können es sich Unternehmen schlicht nicht leisten, keine Werte zu haben – oder vorhandene nicht zu kommunizieren. Es lohnt sich also, die farbenfrohe Augenwischerei genauer unter die Lupe zu nehmen und die Vorteile authentischer Wertekommunikation hervorzuheben.

 

Wir schreiben das Jahr 2022. Katar richtet in eigens dafür erbauten Stadien die Fußballweltmeisterschaft aus. Aufgrund der Menschenrechtssituation im Emirat werden Gastgeber und FIFA scharf kritisiert. Die deutsche Mannschaft will auf dem Platz ein Zeichen gegen die gravierenden Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierungen setzen. Und zwar mit einer bunten Armbinde. 

Doch das Tragen der „One Love”-Kapitänsbinde wird aufs Strengste untersagt. Stellvertretend hielt sich Mannschaft und Ersatzspieler den Mund vor Spielbeginn zu, um auf die „Verbotspolitik“ der FIFA aufmerksam zu machen. Sicherlich wollte man so deutlich Stellung beziehen. Stattdessen folgte weltweiter Spott: Von Japaner:innen nach der 1:2-Niederlage. Im katarischen Fernsehen nach dem Ausscheiden der Mannschaft. Und auch in den deutschen Medien, wo die Protestaktion als „kleingeistig“ und „feige“ betitelt wurde. 

Die Krux: Die Geste wurde als „Virtue Signalling“, also als oberflächliches Signal der Tugendhaftigkeit mit geringer Durchschlagkraft identifiziert. 

 

Was bedeutet „Virtue Signalling“? 

„Virtue Signalling“ leitet sich aus der Verhaltensbiologie ab und beschreibt das Signalisieren von den „richtigen“ Werten, um die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe zu demonstrieren oder das eigene Ansehen zu steigern. Der Begriff wird oft in seiner abwertenden Bedeutung verwendet, um die Zuschaustellung moralischer Werte ohne echtes Verständnis oder Engagement – oder eben Risiko – zu kritisieren. 

Eine wohl gemeinhin bekannte Art des Virtue Signallings ist das „Greenwashing“, bei dem Unternehmen durch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ein umweltfreundliches Image verliehen werden soll. Analog beschreibt „Pinkwashing“ den Versuch, ein tolerantes und fortschrittliches Image heraufzubeschwören, indem Nähe zur LGBT-Bewegung signalisiert wird. Und während „Whitewashing“ einfach für „Schönfärberei“ stehen kann, ist „Purplewashing“ die feministische Kritik an Organisationen, die sich nur oberflächlich und opportunistisch zur Gleichstellung der Geschlechter bekennen. 

 

Werte in der Unternehmenskommunikation 

Die einzig mögliche Schlussfolgerung: Als Unternehmen lieber keine Werte kommunizieren. Für nichts stehen und für nichts fallen, unpolitisch und unkritisch sein, immer neutral. 

Natürlich nicht. Denn wer allen immer alles recht machen will, büßt durch den Opportunismus nicht nur die eigene Identität ein, sondern steht auch auf den heutigen (Arbeits-)Markt schlecht dar. Die Bindung und Treue zu Marken, aber auch jede einzelne Kaufentscheidung der Konsument:innen kann auf der Wahrnehmung von Unternehmenswerten beruhen. Und mehr denn je wollen sich auch Arbeitnehmer:innen mit „ihren“ Unternehmen identifizieren können – Stichwort (Buzzword?) Sinnfrage. Nicht nur in Sachen Conversion, sondern auch, um neue Talente anzuwerben sowie um die Mitarbeitendenbindung und den Teamzusammenhalt zu fördern, ist ein stabiles Wertefundament unerlässlich. Und auch vor dem, was die Zeit als „Gratismut“ beschreibt, müssen Unternehmen nicht zurückschrecken. 

 

Taten statt Worte 

Als Unternehmen sollten Sie Ihre eigenen Werte auf jeden Fall kommunizieren. Jedenfalls solange Sie dabei glaubhaft bleiben. In der Kommunikation sollten Sie aber auf folgende grundlegende Aspekte achten: 

 

  1. Formulieren Sie Ihre Werte klar und halten Sie sie als Teil der Markenidentität fest. Während des Onboardings sollten diese Werte auch an neue Mitarbeitende vermittelt werden. 
     
  2. Zudem sollten Sie die Werte öffentlich zugänglich machen. Statt sie nur auf der Website zu veröffentlichen, können sie über Geschichten vermittelt werden. Anstelle des reinen Bekenntnisses zum Innovationsgeist, können Sie diese Werte beispielweise über Ihre Unternehmensentwicklung zeigen. Nachhaltigkeit kann über Projekte demonstriert und ein Anspruch auf Diversität anhand der Personalentscheidungen bewiesen werden. 
     
  3. Auch in der Kommunikation ergibt sich ein größerer Mehrwert, wenn Werte durch Taten gezeigt werden. Authentische und einheitliche Kampagnen zeichnen ein glaubwürdiges Gesamtbild und bauen langfristige Beziehungen auf. 

 

Wie immer: Authentizität ist das A und O. Spielereien, wie Regenbogen-Profilbilder anlässlich der Pride-Bewegung im Aktionsmonat Juni auf Social Media hinzuzufügen, können ähnlich schnell als billige Anbiederei oder oberflächliches Signal entlarvt werden, wie Neuers Armbinde. Stattdessen sollten die Werte die Grundlage des täglichen Handelns bilden – und dann kann man dazu auch kommunizieren.