„Komm mit, komm mit mir ins Abenteuerland, auf deine eigene Reise, komm mit mir ins Abenteuerland, der Eintritt kostet den Verstand.“ Nun ist mir völlig bewusst, dass zum einen Pur nicht wirklich den Musikgeschmack aller trifft und zum anderen Pur-Frontman Hartmut Engler mit diesen Zeilen sicher nicht digitale Multimediareportagen im Sinn hatte. Warum ich dennoch dieses Songzitat bemühe? Es passt so wunderbar zu meinem Plädoyer fürs digitale Geschichtenerzählen. Denn das geht ganz einfach: mit Scrollytelling. Was dieses Konzept kann, wie Sie es am besten für Ihre Ziele umsetzen können und auf was es dabei zu achten gilt, erzähle ich Ihnen – natürlich völlig digital. Scrollen Sie sich doch mal durch.

23. März 2022

Scrollytelling, was ist das eigentlich? Hinter der Wortkreuzung aus den englischen Begriffen „storytelling“ und „to scroll“ verbirgt sich eine Geschichte, die multimedial und digital so aufbereitet wurde, dass sie sich durch das Herunterscrollen auf einer eigens für diese Geschichte angelegten Webpage – meist ein One-Pager – entfaltet. Und das als Symbiose von Texten, Bildern, Videos und idealerweise interaktiven Elementen, um die Verweildauer zu erhöhen und die Geschichte noch erlebbarer zu machen. Das Konzept Scrollytelling hat seinen Ursprung übrigens im Journalismus. Im allgemeinen Konsens gilt das Projekt „Snowfall – The Avalanche at Tunnel Creek“ der New York Times als erstes Scrollytelling seiner Art. Die multimediale Aufbereitung eines Lawinenunglücks in Tunnel Creek im Westen der USA löste vor genau zehn Jahren auch eine Lawine in Journalistenkreisen aus, sodass der Autor John Branch 2012 den Pulitzer-Preis für dieses Werk erhielt. Große Zeitungs- und Verlagshäuser vom Tagesspiegel bis zu ZEIT Online zogen und ziehen noch immer nach.

Warum ist sein Format so eingeschlagen? Und eignet es sich auch außerhalb der journalistischen Sphäre beispielsweise für Ihr Online-Marketing? Die Antwort auf die letzte Frage können wir kurz machen: Ja! Die Antwort auf die erste dauert etwas länger. Dafür gibt es im Folgenden ein paar Tipps, damit auch Ihre digitale Story eine Lawine auslöst. (Man verzeihe mir die erneute Bemühung dieses Wortspiels.)

Tipp #1: Gutes Konzept ist ein Muss!

Damit Ihr Scrollytelling gelingt, ist gute Vorarbeit das sprichwörtliche A und O. Bei Scrollytelling kommt es vor allem auf die Einfachheit an. Denn Sie haben nur eine Seite Platz und die Geschichte muss auf dieser einen vertikalen Seite funktionieren. Wenn Sie merken, dass Sie zahlreiche Querverlinkungen und Unterkapitel bräuchten, damit die Leserinnen und Leser die Story verstehen, ist sie noch nicht einfach genug. Und wie das immer so ist: Je einfacher eine Geschichte erzählt werden muss, desto schwieriger ist die Konzeption. Stellen Sie sich daher folgende Fragen: Was ist das Anliegen Ihrer Geschichte – wollen Sie schlicht Informationen vermitteln, wollen Sie Emotionen erzeugen, zum Kauf anregen oder auf eine Problemstellung hinweisen? Wer ist Ihre Zielgruppe – die breite Öffentlichkeit, Angehörige einer bestimmen Branche, angehende Fachkräfte etc.? Mit den Antworten auf diese beiden Fragen können Sie schon viel klären, beispielsweise die Informationstiefe oder die Ansprache. Bis zu diesem Punkt unterscheidet sich eigentlich nichts von einem gewöhnlichen Kommunikations- oder Online-Marketing-Konzept.

Tipp #2: Mehr ist gerade gut: der Content-Mix

Haben Sie diese Fragen geklärt? Super, dann gehen wir zum nächsten Schritt über. Und ab diesem Punkt unterscheidet sich die Planung eines Scrollytellings nun von einem gewöhnlichen Konzept. Denn stellen Sie sich einmal andere gängige Kommunikate vor: Eine Pressemitteilung zum Beispiel. Diese kommt vorrangig mit ein oder mehreren Bildern daher. Oder ein Social Media Beitrag. Hier ist die Auswahl schon größer, beschränkt sich aber in weiten Teilen auf entweder Bild oder Video oder interaktives Element oder oder oder. Bei einem Scrollytelling kommt es gerade darauf an, sich nicht auf ein Content-Format festzulegen. Denn damit die Leserinnen und Leser möglichst lange Ihrer digitalen Geschichte folgen, ist Abwechslung gefragt. Starten Sie doch beispielsweise mit einem Bild im Header unterlegt mit passender Musik, wechseln Sie auf ein kurzes Textelement, gefolgt von einem Video-Beitrag und einer Infografik. Bauen Sie ein Quiz ein. Die Möglichkeiten im Abenteuerland Scrollytelling sind nahezu unbegrenzt. Und dennoch gibt es ein paar „Regeln“ zu beachten. Die wichtigste für mich, ist die Qualität. Denn anders als auf Social Media gilt in Ihrer Multimediareportage nicht „Ein Handyvideo reicht, das wirkt so schön authentisch“. Denken Sie daran, Ihr Scrollytelling füllt den gesamten Screen des Endgeräts. Das verzeiht keine verpixelten Bilder oder Videos. Und natürlich spielt auch die inhaltliche Qualität eine Rolle. Schwallen Sie nicht, erzählen Sie lieber!

Tipp #3: Augen auf bei der Tool-Wahl

Sie haben Ihren Content verfasst, die Bilder ausgewählt, Videos produziert und einen Seitenaufbau überlegt? Dann ist es spätestens jetzt an der Zeit, sich auf die Tool-Wahl zu fokussieren. Denn nicht alle Tools eignen sich für alle Stories. Das soll nun kein Werbeabsatz werden und auch kein Verbrauchertest von Adobe Express, Pageflow, Storyform und Co. Eher eine kurze Anleitung, was das Tool Ihrer Wahl alles können muss.
Sie wollen ja nicht nur eine Geschichte erzählen – das können Sie schließlich auch ganz analog mit Ihren Nichten, Neffen, Kindern, Enkeln oder Hauskatzen machen. Ihr Scrollytelling soll auf Ihre Botschaft einzahlen. Damit den Leserinnen und Lesern das auch optisch einleuchtet, muss das Tool die Anpassung an Ihr Corporate Design zulassen. Je vielfältiger dabei die Möglichkeiten zur Individualisierung und Personalisierung beispielsweise über die Logoeinbindung, die Wahl der Schriftart oder der Corporate-Farbwelt, desto besser.

Gleiches gilt für die unterstützen Content-Formate. Hierbei unterscheiden sich die Tools oft stark voneinander. So lassen manche keine Videos direkt einbinden, sondern nur via YouTube-Link, der sich im Worst Case in einem neuen Tab öffnet und die Userinnen und User damit aus Ihrer Geschichte reißt. Andere unterstützen nur zwei verschiedene Bilderformate wie 16:9 oder quadratisch. Und wieder andere ermöglichen Audioinhalte wie Hintergrundmusik oder Podcast-Folgen überhaupt nicht.

Ein letzter enorm wichtiger Punkt, der gerne einmal vergessen wird: Laut zahlreichen Studien werden in Europa über die Hälfte der Websites auf Mobile Devices aufgerufen. Doch nicht alle Tools unterstützen Responsive Designs. Öffnet Ihre Zielgruppe Ihr Scrollytelling dann auf ihren Smartphones ist die Anzeige oft so unterirdisch, dass sie schneller wieder weg sind als Sie Scrollytelling sagen können.

Sind Sie nun bereit, Ihre Geschichte zu erzählen? Dann auf ins Abenteuerland!