Wie heißt es so schön in dem Song „Fäule“ der deutschen Rapper „Die Beginner“: „Es kommt wie’s kommt, aus’m Bauch raus wie Kacke. Und wenn es rockt kommt es rauf auf die Platte.“ Okay! Das hört sich nicht sehr appetitlich an, beschreibt aber eines sehr gut: Ein kreativer Prozess ist etwas Ur-Menschliches. Das gilt auch für die Erstellung eines Textes: eines Posts für Social Media, einer Pressemitteilung, eines Newsbeitrags, einer Case-Study, eines Romans. Es braucht am Beginn diesen einen Funken, der aus einer Idee in einem menschlichen Kopf einen Text entstehen lässt.

30. Juni 2020

Für mich ist das jedenfalls so. Das leere Blatt oder das neue Dokument im Textverarbeitungsprogramm fordert mich heraus. Als würde es sagen wollen: „Ätsch! Du hast doch eh keinen Mumm, auf irgendwelche Tasten zu drücken.“ Doch dann wird der innere Impuls stärker. Als Texter, Redakteur, Berater, Kommunikator will man mit einem Text doch eine Botschaft vermitteln. Eine eigene, eine für die Allgemeinheit mit Nachrichtencharakter, eine kommunikative für einen Kunden. Wie der Weg zum fertigen Produkt dann ist, hängt von den Umständen ab. Viele Dinge erfordern Recherche, Gespräche und das Stellen von Fragen. Manche schreiben dazu ganze Flipcharts voll oder füllen digitale Mindmaps, malen eine Roadmap. Bei anderen ist das Ganze eben auch eine Bauchsache, oder eine Angelegenheit des Kopfes. Alles gut, alles richtig. Natürlich kommen – je nachdem, auf welcher Ebene man sich bewegt, welche Kanäle man mit welchen Formaten bespielt – gewisse Standards und Regeln dazu. Nicht umsonst durchlaufen Journalisten ein Volontariat bei einem Medium oder sammeln ihre Meriten durch langjährige Erfahrung. Aber eines ist sicher: Kreativität ist ein durchweg menschlicher Prozess.

Zwei Buchstaben, die da irgendwie stören

Und jetzt auf einmal taucht da die KI auf, die Künstliche Intelligenz. Auf einem chinesischen TV-Kanal präsentiert ein durch KI gesteuerter Avatar Nachrichten. Oder ein Software-Programm übersetzt spielend Texte ins Chinesische, weil es durch Training eine bestimmte Dialektform gelernt hat. Sehr aktuell verlieren beim Nachrichtendienst MSN von Microsoft in den USA und Großbritannien zum Monatsende Redakteure ihre Stellen. Im Newsroom in Berlin stellt man sich auch Fragen. Weil eine KI hier bestimmte Aufgaben nicht mehr nur unterstützt, sondern sogar übernimmt. Und alle, die vor einem weißen Blatt sitzen, mögen sich jetzt denken:

„Was wird das geben?“

„Wird ein Algorithmus dieses weiße Blatt mit Zeichen füllen?“

„Was macht so eine KI überhaupt?“

Eines vorweg: Der Algorithmus bei Microsoft entwickelt keine eigenen Texte in der klassischen Form. Es geht im Fall von MSN darum, Headlines auszuwählen, die leistungsstärksten Artikeln der MSN-Newspartner zu finden und Fotos und Inhalte zusammenzustellen oder Redaktionspläne aufzubauen. Eine Aufgabe, die vorher Menschen übernommen haben. Dennoch drängt sich hier schon ein Gedankenspiel auf: Was ist, wenn KI menschliche Denkprozesse nicht nur erleichtern, sondern gar ersetzen soll? Stichwort „starke KI“ – um alle menschlichen Fähigkeiten nachzubilden. Noch viel Science, aber gar keine Fiction mehr. Schon heute fließen in die Technologie schwache KI-Formen ein, die einzelne Fähigkeiten kopieren, zum Beispiel Sprache erkennen oder in Produktionen Warenprüfungen übernehmen.

Schnell und lernfähig

Nun soll die KI aus eigenen Erfahrungen lernen und Schlüsse ziehen, die das zukünftige Verhalten des Systems beeinflussen sollen. So haben die oben schon benannten MSN-Redakteure nach eigenen Angaben der KI das Know-how beigebracht, das sie nun braucht, um den Job machen zu können. Sie haben ihr ständig Feedback zur Performance gegeben und Probleme gekennzeichnet. Aber was ist, wenn die KI bei der Prüfung von Inhalten falsche Entscheidungen trifft, etwa Gewalt verherrlichende oder unangemessene Inhalte nicht erkennt? Das ist aktuell bei MSN passiert. Die KI hat in einem Artikel zu Rassismuserfahrungen der Musikerin Jade Thirlwall von Little Mix das Bild einer Bandkollegin zugeordnet, die auch dunkelhäutig ist. Um die es aber gar nicht ging. Hoffentlich ordnet eine KI nicht mal irgendwann den Song „Fäule“ der Band „Fettes Brot“ zu.

Eine Conclusio

Klar ist: Schon heute unterstützen künstliche Intelligenzen die Arbeiten von Menschen. Bei aller positiver Entschlossenheit, das voran zu treiben und zu entwickeln, darf eines nicht passieren: Den Menschen dabei abzuhängen. Seine Sorgen müssen Entscheider und Entwickler ernst nehmen. Men versus Machine geht in keiner Science gut aus – weder der mit noch der ohne Fiction.