„Gute Freunde kann niemand trennen… gute Freunde sind nie allein.“ Das verriet uns bereits Franz Beckenbauer vor über 50 Jahren im gleichnamigen Song. An das Internet hat er dabei zwar nicht gedacht, aber es ist uns so selbstverständlich und vertraut geworden, dass wir nicht mehr von ihm getrennt sein wollen. Wahrscheinlich sind wir aus diesem Grund rund um die Uhr on: Online-Freundschaften, Online-Dating, Online-Shopping – machen wir uns nichts vor: Es ist kein Neuland, sondern das reinste Paradies.

24. September 2019

Das Smartphonedisplay ist unser ganz persönliches Fenster zur restlichen Welt, Aladins Wunderlampe im digitalen Gewand. Statt daran zu reiben genügt ein Fingertipp. Bequem erfüllen wir uns unsere Wünsche oder tun das, wozu wir gerade Lust haben: Wir grüßen Toni Kroos auf Instagram, schauen bei den Zwillingen Lisa und Lena und ihren neuesten Klamotten vorbei oder verfolgen Heidi Klums neueste Instagram-Posts. In der Whatsapp-Gruppe wechseln sich Nachrichten im Sekundentakt, wir laden das neue Album von Mark Foster herunter oder streamen es bei Spotify. Ohne irgendwo in der Schlange zu stehen. So leicht, so gut, großartig!

Zeitloser Klassiker: Achtsamkeit

Aber: Der schneller werdende Rhythmus, in dem wir mit der Welt interagieren, verändert auch unser Verhältnis zur Zeit. Die ganze Welt scheint sich schneller zu drehen. Manchmal strengt mich diese Rastlosigkeit an. Die vielen Mitteilungen, Apps und Mails, die meine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Das Suchergebnis von Google dokumentiert, dass es nicht nur mir so geht. Gepaart mit dem Versprechen, unsere innere Balance wiederzufinden, tauchen nach einigen Klicks online Konzepte auf, die uns helfen sollen, die Reize zu kontrollieren. Viele von ihnen sind schon Jahrhunderte alt – und scheinen aktueller denn je zu sein. Achtsamkeit zum Beispiel. Die Lehre der Achtsamkeit als Methode, um Leiden zu vermeiden, kommt aus dem Buddhismus. Der Begriff meint, unser Bewusstsein auf unsere eigenen Gefühle und Empfindungen zu richten. Der Clou: Durch solche Momente der Ruhe kann es uns gelingen, unser Leben zu entschleunigen, unsere Gedanken zu beruhigen und einfach mal wortwörtlich abzuschalten. Oder wie es in der Jugendsprache so schön heißt: „Alter, chill mal dein Leben!“

Einfach mal abschalten

Was einfach klingt – langsamer machen – scheint im Alltag aber gar nicht so einfach zu sein. Uns fehlt vor lauter analogen Terminen, beruflichen wie privaten Verpflichtungen meist schlicht die Zeit. Es gibt ja auch ein Leben abseits von Nullen und Einsen. Aber warum überhaupt etwas ändern? Ist es nicht gut, ständig beschäftigt zu sein, immer die neuesten Nachrichten sofort und nicht erst abends oder am nächsten Tag zu erhalten? Nichts zu verpassen, immer als erster informiert zu sein?

Ich denke, die meisten von uns merken, dass die permanente Alarmbereitschaft online auch in sogenannten negativen Stress umschlagen kann. Es ist wie im analogen Leben auch. Ein Zuviel ist selten gut. Zuviel Fernsehen, zu viele Kohlenhydrate, zu viel Bier und so weiter. Wenn Achtsamkeit bedeutet, dass wir wieder ein Gespür für das richtige Maß finden, sollten wir versuchen, uns ihre Techniken wie die Meditation zu eigen zu machen. Ein anderer Schritt, um seine Balance zu finden, ist noch einfacher. Das Smartphone einfach mal abschalten, vom Netz nehmen (Flugmodus) oder es zu Hause liegen lassen. Ich habe es probiert, es funktioniert. Die gute Nachricht ist: Danach ist die Welt immer noch, wie sie vorher war. Also alles halb so wild. Moment … Toni hat gerade etwas zum letzten Spiel gepostet … Wahnsinn! Ich schreib ihm gleich mal was Passendes. Dann bin ich aber auch off.

Autor: Florian Pahlke