Er gehörte zu den meistgesagten Sätzen des ehemaligen Bayer-Leverkusen-Trainers Heiko Herrlich während einer bemerkenswerten Pressekonferenz: „Ich gebe Ihnen Recht“, sagte er immer wieder zu den Journalisten. Das wirkt auf den ersten Blick demütig – aber ist es das wirklich? Ich finde nicht. Es ist eine beliebte Einleitungsfloskel geworden, um kritische Anmerkungen aufzunehmen und ihnen im nächsten Schritt eigene Argumente gegenüberzustellen. Ein bisschen Deeskalation im Sinne von Rosenberg, so scheint es. Aber eigentlich heißt es etwas ganz anderes. Wir nehmen es uns heraus, Recht zu geben. Unser Gegenüber hat nicht aufgrund der besseren Argumente Recht, sondern erhält es von unseren Gnaden.

17. September 2019

Gerne auch in abgepresster Form: „Da muss ich Ihnen Recht geben.“ Das klingt schon so, als hätten große innere Hürden überwunden werden müssen. Zähneknirschend der von außen angetragenen Logik nachgebend, schweren Herzens – aber nun gut, sei’s drum. Diese Rechtgeberei rührt meiner Meinung nach von einem gewissen Stolz her, zwar argumentativ geschlagen, aber dennoch nicht unterlegen zu sein. Als sei man sich ohnehin von Beginn an nicht auf argumentativer Augenhöhe begegnet. Und vom Podest aus gibt es dann mit anerkennender Verwunderung und ein wenig herabwürdigend den Lorbeerkranz auf’s Haupt des Gegenübers. Bitteschön – dankeschön.

Zum Vergleich: Umgekehrt wäre es doch genauso merkwürdig, würde einer der Diskutanten schließlich nicht sagen “ich gebe Ihnen Recht”, sondern: „Ich entziehe Ihnen Recht.“ Denn wo gewährt wird, kann doch wohl auch genommen werden. Warum also nicht lieber gleich sagen: „Da haben Sie Recht.“ Oder noch einfacher: „Das stimmt.“ Ich jedenfalls maße mir lieber keine Rechtgeberei an. Und wer unbedingt Recht bekommen will, ist vor Gericht wohl am besten aufgehoben.