Über den Wolken mögen Extrarunden eine wunderbare Sache sein. Zugegeben, vielleicht eher in einem kleinen Segelflugzeug als in einem Passagierflieger. Das Vergnügen hatte ich zwar noch nicht, stelle es mir aber ziemlich angenehm vor. Noch ein paar Minuten länger in der Luft sein, an Reinhard Meys bekanntestes Lied denken und die Gedanken schweifen lassen. Jedenfalls allemal besser als die Extrarunde, die der Ein oder die Andere mit dem Sportunterricht verbindet. Und seit ich in der PR-Branche arbeite, habe ich noch eine weitere Form von Extrarunden kennengelernt, die ähnlich erfreulich sind wie die letztgenannte: Abstimmungsschleifen.

14. Juli 2020

Sie sind erfahrungsgemäß mit Prozessen verbunden, die nicht unbedingt besonders geradlinig verlaufen. Aber von vorne: Worum geht es hier eigentlich? Als Kommunikatoren erstellen wir unterschiedliche Inhalte für unsere Kunden. Bevor wir das tun, legen wir Zielgruppen, Botschaften und die Tonalität fest. Dann recherchieren und erstellen wir Inhalte und stimmen sie selbstverständlich mit den Kunden ab. Der ideale Weg wäre dann dieser: Es gibt einen verantwortlichen Ansprechpartner beim Kunden, der eine gebündelte Rückmeldung gibt, wir justieren kurz nach (klingt so wunderbar nach Uhrmacher, nicht wahr?) und dann ist die Tinte sozusagen getrocknet, die Laube gestrichen, fertig.

Über Gemengelagen und Verantwortlichkeiten

Die Vorteile liegen auf der Hand: Der Prozess ist für beide Seiten effizient, man kommt schnell zum vereinbarten Ziel. Die Praxis sieht gelegentlich anders aus. Ein Beispiel, das ich in der Vergangenheit schon erlebt habe, geht so: Es gibt einen Ansprechpartner beim Kunden. Der benötigt stets das O.K. der Geschäftsführung für alle inhaltlichen Änderungen. Und natürlich steckt er auch thematisch nicht immer so tief drin, dass er alle Unternehmensbereiche überblicken kann. Also holt er noch zwei Kollegen oder Kolleginnen aus zwei Bereichen hinzu. Das ist auch völlig okay, wenn deren Meinung zu Text und Sprache nicht separat und ungefiltert an mich gegangen wären. Dazu kommt die Rückmeldung des eigentlich verantwortlichen Ansprechpartners, und am Ende geht das Ganze dann noch einmal durch die Geschäftsführung, deren Rückmeldung im krassesten Fall den zuvor gemachten Änderungen widerspricht. Aus dieser Gemengelage entsteht nach einigem Hin und Her, Verweisen auf Zielgruppe, Botschaften und Tonalität dann ein Inhalt, mit dem alle einigermaßen zufrieden sind, aber mit dem keiner wirklich glücklich ist. Da frage ich mich: Was ist am Ende mit diesem Vorgehen gewonnen?

Wer darf ans Steuer?

Nun mag das krass klingen. Und es mag der Eindruck entstehen, dass alles, was von einer Agentur käme, das pure Gold ist. Ich will hier allerdings niemanden bashen und ich weiß, dass bei Agenturen auch nur Menschen arbeiten, die mal einen guten und mal einen weniger guten Tag haben. Natürlich liefere auch ich nicht immer eine kommunikative Punktlandung, ist doch klar. Mir geht es hier um eine Zuspitzung mit dem Ziel, Abstimmungsprozesse und deren Sinnhaftigkeit zu hinterfragen. Und das fängt mit der ganz einfachen Frage an: Wer darf beim Fliegen von Abstimmungsschleifen ans Steuer? Wer schon mal in ein Cockpit geschaut hat, weiß, dass vorne Platz für zwei Leute ist. Beide wissen, was sie tun, sind aufeinander abgestimmt und verstehen ihr Handwerk. Wer käme denn da auf die Idee, beim Landeanflug in Steuer zu greifen, weil er dies und jenes gerne anders hätte? Unvorstellbar auch, dass der Vorstand einer Fluggesellschaft beim Piloten anruft und ihm erklärt, wie er sich eine schöne Landung vorstellt.

Mit Vertrauen auf Kurs bleiben

Es geht am Ende des Tages doch um ein gewisses Maß an Vertrauen. Vertrauen der Geschäftsführung in den Bereich Unternehmenskommunikation. Vertrauen der Unternehmenskommunikation in die Agentur. Und eine Verbindung der beiden, die sicherstellt, dass die vereinbarten Ziele getroffen werden. Kollege Kai Heddergott trifft den Nagel auf den Kopf, wenn er von einer kommunikativen Prokura spricht. Sie sollte allerdings nicht nur für die Krisenkommunikation gelten, sondern generell. Zumindest in einem gewissen Rahmen. Denn mal ehrlich: Was hat beispielsweise der Geschäftsführer davon, sich operativ mit Themen auseinanderzusetzen, derentwegen er eine Position geschaffen und besetzt hat, die ihm das eigentlich abnehmen soll? Und wie verhalte ich mich als Kommunikator gegenüber widersprüchlichen Rückmeldungen aus einem Unternehmen zu bestimmten Inhalten? Wie vermeide ich es, als Oberlehrer oder Querulant gesehen zu werden, wenn ich an Zielgruppen und vereinbarte Tonalität erinnere?

Gemeinsam das Idealziel im Blick: Punktlandungen statt Abstimmungsschleifen

Zumindest zum letzten Punkt kann ich sagen: gar nicht. Aber das ist freilich auch mein Job. Genau aus diesem Grund, so hoffe ich doch, holen sich Unternehmen in ihrer Kommunikation Unterstützung von außen. Und diesen beratenden Aspekt verstehe ich als fundamentalen Teil meiner Arbeit. Was alles Übrige angeht, kann ich nur dies sagen: Am Ende der Reise profitieren alle Seiten von stringenten Abstimmungsprozessen mit klaren Verantwortlichkeiten. Die Kollegen auf der Firmenseite behalten die Zügel in der Hand und damit den Überblick, wenn sie internes Feedback bündeln. So können etwaige Rückmeldungen der Kollegen aus den Fachbereichen gleich so umgesetzt oder weitergegeben werden, wie die verantwortlichen Kommunikatoren es für sinnvoll erachten. Im Austausch mit der Agentur wird dann hier und dort noch geschliffen und dann ist ein Inhalt auch schnell rund. Und der Geschäftsführer erhält eine Auswertung über das, was die kommunikativen Maßnahmen gebracht haben, anstatt jede einzelne Maßnahme abzusegnen.

Sicher, manchmal braucht es mehr als eine Abstimmungsschleife, auch im geradlinigsten Prozess. Aber wer die Extrarunden zum integralen Bestandteil eines Prozesses macht, verrät damit etwas über sein Unternehmen. Wie gesagt: Es geht mir nicht um Fingerzeige oder Tadel. Mir geht es um ein kritisches Hinterfragen von Abläufen. Und wem vor lauter Abstimmungsschleifen schon ganz schwindelig wird, der weiß doch sicher, wie es effizienter gehen könnte. Im Flugzeug gibt es vorne schließlich nur zwei Plätze für die Damen und Herren mit dem Steuer in der Hand. Und das erhöht die Chancen für Punktlandungen deutlich.