„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben“. Mit diesen inspirierenden Zeilen seines Gedichts Stufen beschreibt der deutsch-schweizerische Schriftsteller Hermann Hesse prägnant die positive Energie, die ein Neubeginn, ein Aufbruch oder schlicht eine Veränderung (auch) freisetzen kann. Zum Beispiel beim berufsbedingten Umzug, dem Begründen einer neuen Partnerschaft oder der simplen Entscheidung, von nun an keine Zigarette mehr anzurühren.

10. Dezember 2019

Meistens erkennen wir den befreienden Effekt am besten aus der Retrospektive. Denn freilich mag sich die Magie bei einem schmerzhaften Abschied mitunter nicht augenblicklich entfalten. Die Entscheidung, das Gewohnte hinter sich zu lassen, löst naturgemäß bei den Protagonisten auch Gefühle von Bedauern und Angst aus.

Neubeginn: Den Kreislauf durchbrechen

Wir Menschen sind und bleiben Gewohnheitstiere: Ein Hoch auf die morgendliche Routine und die automatischen Abläufe bei der Arbeit, die aufgehende Sonne und das Amen in der Kirche. Denn die bekannte, sichere Umgebung im Laufe unseres Lebens zu verlassen, gleicht einem Sprung ins kalte Wasser. Alleine die Idee zur Veränderung bereichert uns jedoch ohnegleichen, wenn man die Perspektive Ferdinand Magellans einnimmt: „Wer an der Küste bleibt, kann keine neuen Ozeane entdecken.“

Der Seefahrer beschreibt die magische Seite der Veränderung, die auch Hermann Hesse meint. Der Reiz, den Kreislauf des immer Wiederkehrenden an einer Stelle zu durchbrechen. Das Leben mit neuen Gewohnheiten und Wissen anzureichern und von Ballast zu befreien: das Leben als ein fortwährender Prozess. Wenn wir einmal genauer darüber nachdenken, haben wir heutzutage im Grunde genommen jeden Tag die Möglichkeit, so ziemlich alles zu verändern – uns gewissermaßen selbst zu „verzaubern“. Das kann schon mit einem bescheidenen neuen Vorsatz oder einem Ritual beginnen.

Ratgeber: nein, Empfehlung: ja

Im Trubel des Alltags vergessen wir zu schnell, wieviel die Welt um uns herum noch zu bieten hat. Auf wie viele Weltanschauungen wir zugreifen können – und wie viele Optionen sich daraus ergeben. Oder genau diese Fülle an Möglichkeiten macht uns bewegungsunfähig. Nicht zuletzt auch bezogen auf die Art, wie wir die Umwelt beeinflussen. Viele dürfte der Dauerbrenner Klimawandel zu Recht nerven: „Wir können so nicht mehr weitermachen.“ Oder: „Wir fahren die Welt vor die Wand.“ Das haben wir mit diesen oder ähnlichen Worten schon duzentfach gelesen oder gehört. Was an dieser Stelle deshalb nicht folgt, ist ein Ratgeber, der Ihnen auflistet, was Sie dagegen tun sollten.

Ich habe nur eine Empfehlung im Gepäck: Bleiben Sie bei Ihren Vorsetzen fürs neue Jahr offen für Veränderungen. Lassen Sie sich nicht von der latenten Ohnmacht erfassen, man könne alleine nichts bewirken. Etwas für Umwelt und Klima zu tun, hat für mich damit etwas zu tun, Neues zu lernen, Dinge zu probieren. Und das macht ja durchaus Spaß. Man denke nur an den Urlaub in Afrika oder in Indien. Geht auch im Alltag. Suchen Sie sich aus dem Fundus an Möglichkeiten einfach eine Sache aus, die Sie im Radio, oder im Gespräch mit einer Arbeitskollegin irgendwie neugierig gemacht hat.

Veränderungen gehen durch den Magen

Und wo entdeckt man Neues am einfachsten? Wo mit dem Neubeginn am besten starten? Richtig, beim Essen. Mehrmals am Tag stellen wir uns die Frage, was auf den Teller kommt. Am besten etwas, was wir nicht schon gestern oder vorgestern verkostet haben. Und mal ehrlich: Wer würde bei der Frage nach seinem Lieblingsgericht schon Sellerie oder Brokkoli antworten. Grünkohl? Vielleicht schon eher. Bei mir landen mittlerweile nur noch Pflanzen in der Pfanne. Frisch vom Markt, scharf angebraten, eine Prise duftender Gewürze obendrauf und violà.

Keine Lust zu kochen? Dann denken Sie über folgende Challenge nach: Ordern Sie in Ihrem Lieblingsrestaurant ein vegetarisches Gericht (Endgegner: vegan), das Sie eigentlich nicht mal im Traum anfassen würden. Das Gericht wird serviert. Halten Sie kurz inne. Denken Sie beim ersten Bissen an Hermann Hesse: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne …“

Florian Pahlke