Unternehmenskommunikation soll unpolitisch sein. Daran habe ich mich stets gehalten – dachte ich zumindest. Aber ist das eigentlich möglich – nicht nur in diesen Zeiten? Wo beginnt die politische Färbung einer Kommunikation, lässt sie sich überhaupt vermeiden und wie grenzt sie sich gegenüber plumper Werbung ab?

01. März 2022

Wenn ich an Werbung mit politischem Bezug denke, fällt mir gleich Sixt ein. „Für alle, die Neuland entdecken wollen“, hieß es auf großen Plakatwerbungen des Automobilverleihers beispielsweise in Anlehnung an die von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel geprägte Formulierung. Begonnen hatte das Unternehmen damit allerdings schon 1999. Der erste ungefragte Prominente, der durch Sixt auf die Schippe genommen wurde, war Oscar Lafontaine. Als er ein halbes Jahr nach seiner Vereidigung als Finanzminister zurücktrat, spottete Sixt in der Werbung mit einem durchgestrichenen Lafontaine inmitten der übrigen Ministerriege und untertitelte: „Wir verleasen auch Autos für Mitarbeiter in der Probezeit.“ Der ehemalige Minister wollte sich das nicht gefallen lassen und ging gerichtlich dagegen vor – erfolglos. Mehr zu den juristischen Hintergründen erfahren Sie beispielsweise in diesem interessanten Blogbeitrag. Für den Automobilverleiher war es der Auftakt zu einer bis heute andauernden Kampagne, bei der Prominente aufs Korn genommen werden, ohne dass Sixt sie dafür bezahlt – Influencer-Marketing mal anders. In Zeiten der sozialen Medien funktioniert dieses Prinzip sogar noch besser. Wenn bestimmte Hashtags hohe Zugriffszahlen verzeichnen – so wie damals #Neuland – dann brauchen die Werbeprofis nichts weiter tun, als eine kostenlose Fahrkarte für den Hypetrain zu lösen und mitzufahren.

Satire von Unternehmen: Träger einer Botschaft oder plattes Mittel zum Zweck?

Solche Kampagnen sind erfolgreich, weil sie bewusst auf politische Themen setzen, die auch in Boulevardblättern erörtert werden. Sie transportieren teils Spott, manchmal Satire und nicht selten sind sie einfach nur reichlich platt. Sie werden vor allem deshalb als authentisch wahrgenommen, weil wir uns alle manchmal an einer gewissen Erniedrigung der Mächtigen laben. Ob der Erfolg solchen Kampagnen Recht gibt, die auf Bild-Niveau wenig mehr als Häme transportieren und Satire nur als dünnen Deckmantel nutzen, um mit gesteigerter Reichweite das eigene Markenimage populär zu machen, lasse ich einmal dahingestellt. Diese Art der Unternehmenskommunikation – denn auch jede Werbung kommuniziert Botschaften im Sinne einer Firma – ist eindeutig politisch. Allerdings nicht in dem Sinne, dass sie klare Haltung zeigt, sondern nur als Vehikel auf dem Weg zur Zielgruppe dient. Man kann das feiern, ich persönlich finde es aus beruflicher Sicht allerdings reichlich platt. Im Hinblick auf die damit in Kauf genommene Abwertung politischer Geschehnisse und Personen kann eine solche Kampagne darüber hinaus auch beschämend sein. Ich frage mich gelegentlich: Tut eine solche Art, mit Politikern umzugehen, unserer Demokratie gut? Braucht Satire denn unbedingt Unternehmen, oder sollte sie nicht besser den Kleinkünstlern überlassen bleiben?

Es gibt keine unpolitische Kommunikation

Daneben gibt es allerdings eine weitere, viel subtilere Form der politischen Unternehmenskommunikation. Sie setzt sich mit den Fakten auseinander, die politische Entscheidungen zeitigen. Die Energiewende ist beispielsweise ein solches Thema. Wenn ein Energieversorger neue Windparks oder Solaranlagen einweiht, ein Logistikdienstleister neue Flüssiggas-Lkw anschafft oder Immobilienentwickler Ausgleichsflächen für Bodenversiegelung ankündigen, dann ist all die damit zusammenhängende Kommunikation mittelbar politisch. Wir kommunizieren schließlich nicht in ein gesellschaftliches Vakuum hinein. Hinter den Botschaften stehen immer Entscheidungen in die eine oder andere Richtung. Das Unpolitische gibt es also im kommunikativen Alltag ebenso wenig wie im Privaten. Jede Entscheidung, gerade auch die Vermeidung bestimmter Themen oder kritischer Aspekte, ist eine politische. Vielleicht, um nicht anzuecken und Stakeholder, die eine bestimmte Meinung nicht teilen, nicht zu verärgern. Oder womöglich, um genau im Gegenteil zu provozieren.

Dass Unternehmenskommunikation unpolitisch sei, ist eben schlicht ein Mythos, an den auch ich mich lange geklammert habe. Ich selbst habe mich, nach einer Sturm-und-Drang-Zeit des politischen Engagements, seit Jahren als weitgehend unpolitisch gesehen. Und wenn ich dabei streng mit mir ins Gericht gehe, hieß diese Haltung nichts anderes als: Ich konnte es mir eben leisten, den politischen Fragen unserer Zeit weitgehend indifferent gegenüberzustehen. Mir ging es gut mit dem Status quo. Und ich nahm damit die Demokratie und die Freiheit ein gutes Stück weit als selbstverständlich hin. So als brauche sie mich nicht – es lief ja alles. Das war reichlich ignorant. Ebenso wenig, wie ich als Mensch unpolitisch sein kann, kann es die Kommunikation, die stets auch eine gewisse Haltung gegenüber einem Thema transportiert. So wie jetzt.

Mehr als nur ein Gag für mehr Reichweite

Spätestens jetzt, wo wir uns einem Krieg in Europa gegenübersehen, erkennen wir, dass rein wirtschaftliche Entscheidungen nie abgekoppelt von der Politik zu betrachten sind. Auch, wenn wir uns das lange eingeredet haben. Unpolitisch sein, das hieß bis vor kurzem auch noch fest daran zu glauben, dass die Wirtschaft über dem Politischen stehe. Daran, dass die Wirtschaft der Politik nur einen gewissen Spielraum vorgebe und diesen eng eingrenze. Was kann die Politik denn schon noch groß bewirken? Ein dummer Irrglaube, wie wir nun sehen. Und einer, den wir uns zu Herzen nehmen müssen. Nicht nur, indem Unternehmen wie Elon Musks Starlink dem ukrainischen Präsidenten Zugriff auf ihre Satellitendaten gewähren oder indem in der Werbung etwas flach Freiheit als Lebensmittel deklariert wird. Sondern indem wir erkennen, dass es nie eine unpolitische Kommunikation gab. Wir sollten das nicht nur jetzt beherzigen, wo wir uns mit Solidaritätsbekundungen für die angegriffene Ukraine leichttun. Wir müssen uns vielmehr klarmachen, dass es auch in der Zeit nach diesem schrecklichen Wahnsinn keine Rückkehr zum Mythos der vermeintlich unpolitischen Kommunikation geben darf. Und wir sollten uns unbedingt fragen, ob sie dann nicht auch immer mehr sein muss als nur ein flacher Gag für mehr Reichweite.