Wenn Sie an das Wort Inszenierung denken, denken Sie vermutlich an eine Aufführung in einem Theater oder in der Oper. Dass Marken oder Unternehmen sich ebenfalls inszenieren und dies für ihre Strategien sogar unerlässlich ist, hat allerdings nichts mit Shakespeare oder Mozart zu tun. Es gibt allerdings mehr Gemeinsamkeiten zwischen der klassischen Inszenierung eines Theaterstücks und der Inszenierung einer Marke, als Sie vielleicht denken.

Was ist eine Inszenierung überhaupt?

Bevor wir aber richtig loslegen, sollten wir erst einmal klären, was eigentlich genau der Begriff Inszenierung bedeutet.  Das Wort stammt vom griechischen Wort σκηνή (Szene) und wird im Deutschen mit „Zelt“ oder „Bühne“ übersetzt. Man versteht unter dem Begriff das Einrichten und die öffentliche Zurschaustellung eines Werks oder einer Sache. Es bezieht sich hauptsächlich auf die Darbietung der darstellenden Künste, wie z.B. des Theaters. Im weiteren Sinne kann aber auch jede andere Form der bewusst eingerichteten Darstellung als Inszenierung bezeichnet werden.

 

Planspiele

Jede gute Inszenierung eines Theaterstücks bedarf der sorgfältigen Planung. Projektmanagement spielt also auch in den darstellenden Künsten eine wichtige Rolle. Wie am Anfang jeder Planung eines Projekts stehen erst einmal Fragen, die beantwortet werden müssen. Bei der Theaterinszenierung sind das in der Regel folgende: Welches Stück will man aufführen?  Warum soll es genau dieses Stück sein? Wie soll es aufgeführt werden? Passt das Stück auch zu dem, was man zeigen oder - besser gesagt - als Botschaft transportieren will?  Das sind oft nicht leicht zu beantwortende Fragen.

Hinzu kommt die Frage, ob man eine klassische Aufführung oder eher etwas im modernen Gewand inszenieren will. Ganz konkret beispielsweise also, ob eine Vorstellung von Schillers „Die Räuber“ traditionell erscheinen soll, also in einer Szenerie und in Kostümen, die der Zeit entsprechen, in der das Stück geschrieben wurde. Oder wagt man einen modernen Ansatz, indem man das Stück als eine Art Organisation dargestellt, die sich für die Umwelt einsetzt und sich gegen die bestehenden Konventionen, die in der Politik zu diesem Thema bestehen, auflehnt. Sie sehen also, Antworten auf die Fragen für die richtige Form der Inszenierung zu finden, ist gar nicht so einfach.

 

Auch Marken wollen inszeniert werden

Auch Sie müssen bei der Inszenierung Ihrer Marke ähnliche Fragen für sich beantworten. Wollen Sie vielleicht zeigen, dass Ihr Unternehmen besonders kundenfreundlich ist oder sich besonders für die Umwelt einsetzt? Oder eventuell sogar beides zusammen? Oder wollen Sie zeigen, dass Sie ein familiäres Unternehmen sind, das sich sehr um seine Mitarbeitenden kümmert? Oder wollen Sie vielleicht zeigen, wie einzigartig Ihre Marke ist? Wenn Sie eine Antwort auf das „Was“ gefunden haben, bleiben immer noch das „Wie“ und „Womit“. Wollen Sie eine Kampagne initiieren oder nur kurze Videospots produzieren? Vielleicht wollen Sie sich auch nur auf Social Media inszenieren? Soll das auf humorvolle Art geschehen oder eher in einem ernsten Ton gehalten sein? Um eine Antwort auf das „Wie“ und „Womit“ zu bekommen, spielt eine weitere Frage eine wichtige Rolle, die für eine Theaterproduktion in der Regel nicht unbedingt entscheidend ist: Wen will ich eigentlich mit meiner Inszenierung ansprechen? Während Theaterleute in der Regel ein breites Publikum ansprechen wollen, ist dies bei Unternehmen und deren Marken nicht immer der Fall. Die richtige Zielgruppe zu identifizieren und auf die richtige Weise anzusprechen, sind zwei tragende Säulen für den Erfolg Ihrer Marke und Ihres Unternehmens. Die Parallele zeigt sich wunderbar im „Golden Circle“ von Simon Sinek. Auch dort steht eine entscheidende Frage im Zentrum: Warum braucht die Welt Ihr Unternehmen? Was ist seine Daseinsberechtigung? Die zweite Ebene macht sichtbar, wie Sie arbeiten. Was Sie im Denken und Handeln ausmacht. Der dritte Kreis, das „Was”, beschreibt, welche Produkte das Unternehmen herstellt oder welche Dienstleistungen es konkret erbringt. Um ein Unternehmen stimmig zu inszenieren – egal, auf welchen Kanälen – müssen diese Fragen beantwortet werden.

 

Die Darbietung der Inszenierung muss perfekt sein

Ein wichtiger Unterschied zwischen einer Theater- und einer Markeninszenierung liegt in der Perfektion der Darbietung. Eines der ersten Dinge, die ich während meines Studiums der Theaterwissenschaften vermittelt bekommen habe, ist, sich bewusst zu machen, dass jede dargebotene Inszenierung eines Werks nie gleich ist. In der Regel wird die Inszenierung eines Stücks nicht nur einmal aufgeführt, sondern mehrere Male. Auch wenn das Stück immer von derselben Regie und demselben Ensemble aufgeführt wird, ist jede ihrer Darbietungen anders. Das liegt daran, dass das Stück von Menschen aufgeführt wird, die nicht wie Roboter immer die exakt selben Bewegungen durchführen können. An einem Tag spricht zum Beispiel der Hauptdarsteller seinen Text anders als am Vortag. Die Gründe dafür können vielfältig sein. Vielleicht ist er an einem Tag etwas erkältet und muss dementsprechend seine Stimme schonen. So kann es dann vorkommen, dass der Charakter, den er verkörpert, mit etwas leiserer Stimme spricht, obwohl er ihn normalerweise sonst sehr laut intoniert. Dieses kleine Detail hat aber schon einen großen Einfluss auf die Inszenierung. Der Zuschauer bildet sich dadurch eventuell unterschiedliche Ansichten über den dargestellten Charakter. So kann es sein, dass ein rüpelhafter Charakter auf einmal als etwas zurückhaltend erscheint. Eventuell verspricht sich auch ein Schauspieler in einer Aufführung, was womöglich zu einigen Lachern im Publikum führt und dem ansonsten ernsten Stück eine komische Note verleiht. Ein kleines Maß an Inkonsistenz und Imperfektion wirken im Theater charmant.

Durch den Vorteil der mehrfachen Aufführung können eventuelle Fehler, die bei einer Theaterinszenierung vorkommen können, korrigiert werden. Diesen Luxus haben Marken und Unternehmen bei ihrer Inszenierung allerdings nicht. Bei ihnen muss die Inszenierung sofort fehlerfrei gelingen, andernfalls ist das Risiko eines Fiaskos recht hoch. Deswegen müssen sich die Personen, die an der Inszenierung der Marke beteiligt sind, sicher sein, dass sie die vorher erwähnten Fragen auch richtig beantwortet haben. Will ein Unternehmen sich beispielsweise als besonders kundenfreundlich inszenieren, indem es seinen exzellenten Kundenservice hervorhebt, jedoch gleichzeitig dieser Service in Kundenbewertungen besonders kritisiert wird, passt das nicht zusammen. In der Folge kann das nicht nur zu Kritik am Unternehmen auf Social Media führen, sondern schlimmstenfalls auch die Marke beschädigen. Die Inszenierung kann damit nicht den gewünschten Effekt erzielen und sich in der Folge eher als Nachteil erweisen.

Das Beispiel zeigt, wie wichtig nicht nur eine gelungene Inszenierung ist, sondern auch eine ehrliche Beantwortung der Vorüberlegungen dazu. Unser Unternehmen aus dem fiktiven Fall muss dafür gar nicht die Inszenierung als kundenfreundliches Unternehmen komplett in Frage stellen, sondern lediglich anders darbieten. Beispielsweise, indem es die Situation erkennt und benennt, Verbesserungen einführt und die Belange der Kunden ernst nimmt. So erzielt man ein positives Bild in der Unternehmensinszenierung.

 

Shakespeare wusste es schon immer

Das klingt in der Theorie gut und schön, aber fest steht ebenfalls, dass eine gute Inszenierung eine schwierige Angelegenheit ist. Deren Erfolg hängt von vielen Dingen ab. Ich habe leider schon viele Inszenierungen, sowohl am Theater als auch  Marken betreffend gesehen, die misslungen sind, weil sie die vorherigen Fragen nicht gut – das heißt selbstkritisch und ehrlich – beantwortet haben. Seien Sie sich daher immer bewusst, dass am Ende nicht Sie entschieden, ob Ihre Inszenierung gelungen ist oder nicht, sondern das Publikum – also die Kundin und der Kunde. Und das an jedem Tag.

Oder um es mit Worten des großen Shakespeare zu sagen: „All the world's a stage, and all the men and women merely players.“ Wir alle spielen jeden Tag Theater und inszenieren täglich etwas für andere Menschen. Und das sollten wir (uns) bewusst machen.