Eher cringe oder unangenehm? Suss oder suspekt? Kolleg.innen oder Kollegen? Wie wir sprechen, ist dadurch bedingt, wer wir sind, an was wir glauben und welchen Gruppen wir uns zugehörig fühlen. Bei der Unternehmenskommunikation ist es deshalb umso wichtiger, nicht nur auf die Inhalte zu achten, sondern auch auf den Stil.

Es gibt keine neutrale Sprache. „Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit“ sagen ist also nur bedingt möglich. Durch unser (Unter-) Bewusstsein, also unsere Identität und unsere eigenen Werte oder Überzeugungen, wird unsere Wahrnehmung gefiltert und beeinflusst. Geben wir unsere Eindrücke und Gedanken dann wieder, passen wir uns noch – bewusst oder unbewusst – an unsere Zuhörer, unsere kommunikativen Ziele und andere äußere Bedingungen an. Einerseits bedeutet das, dass es eine unverfälschte Version der Realität sprachlich gesehen gar nicht geben kann. Andererseits aber auch, dass wir mehr sagen, als auf den ersten Blick ersichtlich wird. 

Trügerische Synonyme und das kleine Wörtchen „Stil“ 

Im Deutschunterricht gab es fast nichts, was bei mir mehr Unverständnis auslöste, als die Anmerkung „Stil“. Lieblos in den Seitenrand gekritzelt (meine Deutschlehrer.innen hatten zumeist eine ganz furchtbare Handschrift), konnte ich mir auf diese kryptische Fehlerbezeichnung einfach keinen Reim machen. Stil ist doch nicht richtig oder falsch – Stil ist Stil. Mittlerweile ist die Schulzeit eine ganze Weile her und meine eigene Handschrift um einiges unleserlicher geworden. Nach vielen Jahren, von denen ich einige in philologischen Fakultäten zugebracht habe, verstehe ich, was damals gemeint war: Es gibt verschiedene und verschieden gut geeignete Arten, einen Sachverhalt in Worte zu fassen. Und jede Art steuert ihre eigene, häufig unterschwellige Bedeutung hinzu.  

Der Effekt lässt sich recht einfach illustrieren; es geht um den Unterschied zwischen Antlitz, Gesicht und Fresse. Monumental, riesig, sehr groß. Illustrieren, darstellen, zeigen. Exkrement, Hinterlassenschaften, Sch- nun. Sie wissen, was ich meine. Synonyme machen deutlich, dass es in der deutschen Sprache mehr Formen als Bedeutungen gibt. Denn obwohl Synonyme in ihrem Kern eine gleiche oder ähnliche Bedeutung haben, kann ihre situationsbezogene Wirkung recht unterschiedlich sein. Im Kontext einer Deutscharbeit war beispielsweise nicht meine persönliche Sprachvariante gefragt, sondern eine „anständige“ schulische Varietät. Das kleine Wörtchen „Stil“, das mit einem halben Fehlerpunkt gewichtet wurde, quittierte dementsprechend zumeist meine Wahl einer unpassenden Form. 

Eine tiefschürfende Wechselwirkung: Identität und Sprache 

Sind Sie noch bei mir? Trotz dieser hochtrabenden Zwischenüberschrift? Dann folgt jetzt mein zweiter Streich: Sprache symbolisiert Identität und wird von Sprecher.innen genutzt, um Identität zu signalisieren. Innerhalb sozialer Gruppen entstehen sprachliche Besonderheiten, durch die sich die Zugehörigen von anderen Gruppen unterscheiden. Diese sogenannten Soziolekte bilden sich zumeist organisch, können von Gruppenmitgliedern aber auch aktiv entwickelt und eingesetzt werden, um sich abzugrenzen. In akademischen Zusammenhängen verwenden Autor.innen etwa eine bestimmte wissenschaftliche Varietät, um so zu suggerieren „Hey, ich spreche Bildungssprache“. Oder sie schreiben womöglich von „tiefschürfenden Wechselwirkungen“, um sich bei den Leser.innen anhand des Übermaßes an Silben als Expert.in zu positionieren. 

Ein weiteres gutes Beispiel für Identität in und durch Sprache ist Jugendsprache. Teenager nutzen Sprache in der Regel sehr flexibel und frei. So treiben sie mit Kreativität und Wortwitz den Sprachwandel voran und erschaffen eine eigene Sprachvariante, die bei manchen Erwachsenen auf Verwirrung oder Unverständnis, bei anderen auf Ablehnung trifft. Nicht-Gruppenmitglieder, die „Jugendwörter“ in den eigenen Sprachgebrauch übernehmen, werden hingegen als Hochstapler entlarvt. 

Das liegt daran, dass man sich diese und andere Sprachvarietäten nicht künstlich aneignen kann. Authentizität spielt im Sprachgebrauch eine große Rolle. Wer sich an den Beitrag zum Jugendwort des Jahres 2021 der Tagesschau erinnert, weiß, wie schwer es ist, einen fremdartigen Soziolekt glaubhaft wiederzugeben. Sprecherin Susanne Daubner schafft mit etwas Selbstironie zwar den Spagat zwischen peinlich und humorvoll, muss dafür aber mit dem gewohnt ernsten Stil der Nachrichtensendung brechen. Sie selbst ist nicht Teil der Gruppe und kann auch allein durch ihren Sprachstil keine Gruppenzugehörigkeit beanspruchen. 

Markenidentität kommunizieren 

Für erfolgreiche (Unternehmens-)Kommunikation sind diese linguistischen Erkenntnisse zum Zusammenhang von Sprache und Identität von entscheidender Bedeutung: Wie man etwas sagt, ist ähnlich wichtig, wie das, was man sagt. Und nicht selten beeinflusst der eigene Soziolekt ein Kommunikat. Ob und welcher Stil dabei passend ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. 

Zunächst ist da die Markenidentität. Genau wie bei Teenagern das Alter ihre Kommunikation bedingt und ihre Kommunikation ihr Alter signalisiert, sollten auch Markenidentität und -kommunikation Hand in Hand gehen: Aus den Werten und Attributen, dem Markennutzen und dem -versprechen sollten sich auch Tonalität und Auftreten ergeben. Wer sich – wie die Tagesschau – als seriöser Experte für bestimmte Themen positionieren möchte, wählt einen anderen Sprachstil als Marken, die nahbar und bodenständig oder sogar modern und innovativ wirken wollen. Doch – wie bei der Tagesschau – wirken Sprecher.innen schnell unfreiwillig komisch und unauthentisch, wenn sie den falschen Stil nutzen. 

Natürlich spielt auch bei der Unternehmenskommunikation der Kontext eine Rolle. Entsprechend des Kommunikationskanals und -anlasses muss der passende Ton gewählt werden. Während Whitepaper beispielsweise einen gewissen Grad an Akademikersprech vertragen, sind in den sozialen Medien Wörter mit weniger Silben gegebenenfalls besser aufgehoben. Trotzdem muss die Markenidentität auf allen Kanälen wiedererkennbar sein. Zum Beispiel konnte die Tagesschau ihren Experten-Status behalten, indem die Sprecherin ihren Beitrag zum Jugendwort 2021 sachkundig und selbstironisch vortrug. 

Schlussendlich sind auch die Dialoggruppe und das Kommunikationsziel entscheidend. Wenn die Zielgruppe selbst klar definiert ist, kann die Marke als Teil der Gruppe oder zumindest gruppennah positioniert werden. Hier stellt sich die berühmte Frage des Du/Sie-Problems: Ist es authentischer, wenn die Zielgruppe geduzt wird, oder bleibt man lieber beim Sie? Außerdem müssen jegliche Kommunikate – ungeachtet des Kanals – zielgruppengerecht sein. Die einfache Faustregel lautet: einfach und verständlich, aber nicht banal. 

Einfach aber hoffentlich mitnichten banal sind auch meine Schlussworte an Sie: Wie wir sprechen, sagt viel darüber aus, wer wir sind. Und Sprecher.innen haben ein gutes Gespür für authentische Sprache. Unternehmen können das für den Markenaufbau und die -kommunikation nutzen.