Wir bitten unser Smartphone um Antworten (ich lasse jetzt Googeln), übersetzen Fachartikel mit einem einzigen Mausklick (bis 5.000 Zeichen kostenlos) und jetzt will das Mail-Programm der Wahl noch den Büro-Small-Talk für uns übernehmen. All das funktioniert auf Basis von NLP (Natural Language Processing) oder praktischer Computerlinguistik und geht weit über technische Spielereien hinaus.

Bei Outlook fing es an. Direkt zwischen Absender und dem eigentlichen Inhalt ein paar unscheinbare Buttons in feinstem Microsoft-Hellblau. „Danke!“, steht da, und „Herzlichen Dank!“. Die Dankbarkeit gipfelt im letzten Vorschlag: „Vielen herzlichen Dank!“. Ich melde mein wertvolles Feedback an den Mega-Konzern: Die vorgeschlagenen Antworten sind nicht hilfreich, weil zu ähnlich.

Auch auf Teams versucht man sich an der hohen Kunst des Predictive Text, indem man Antworten auf Chat-Messages vorschlägt. Ein besonderer Spaß im Arbeitsalltag, zum Beispiel wenn eine Kollegin freitags ganz unschuldig fragt, was ich am Wochenende plane und der Algorithmus mich zwischen „Nichts“, „Nicht viel“ und „Keine Ahnung!“ wählen lässt. Autsch, lieber Roboter-Overlord, ein bisschen interessanter gestaltet sich meine Freizeit dann doch. Die Feedbackoption an Microsoft bleibt man mir in diesem Fall leider schuldig.

Natural Language Processing macht’s möglich

Was in meiner Erzählung und auf den ersten Blick manchmal noch etwas unausgegoren wirkt, ist eine technische Meisterleistung. Denn hinter den unzähligen Anwendungen, die natürliche Sprache verarbeiten können, stecken viele Jahrzehnte linguistische Forschung und einiges an Programmiergeschick. Kurz gesagt: An der Schnittstelle zwischen Sprachwissenschaft und Informatik entstand in den 1960er Jahren dank unseres Lord and Saviours Noam Chomsky die Computerlinguistik, die sich mit der maschinellen Analyse natürlicher Sprachdaten beschäftigt. International als Natural Language Processing (NLP) bekannt, handelt es sich bei praktischer Computerlinguistik um eine Unterkategorie von künstlicher Intelligenz, die primär auf maschinellem Lernen, grammatikalischen Regeln und anderen sprachlichen Grundregeln aufbaut. Man unterscheidet generell zwischen Natural Language Understanding und Generation, also zwischen Systemen, die Sprache verstehen, und solchen, die zudem selbst Sprache generieren können.

Und so funktioniert NLP: Bei der Analyse werden Sprachdaten erst bereinigt und normalisiert, dann folgen unter anderem Part-of-Speech-Tagging und die Lemmatisierung beziehungsweise das Stemming. Der Input wird mit vorhandenen Daten verglichen und anschließend eine entsprechende Reaktion in Gang gesetzt. Im Generationsfalle sieht das Ganze noch etwas anders aus. Mit anderen Worten: jede Menge Feenstaub und IT-Magie. Was für Sie und mich entscheidender ist sind …

Die professionellen Anwendungsmöglichkeiten

NLP kommt bereits in vielen Bereichen zum Einsatz; garantiert sind Sie in Ihrem privaten und beruflichen Alltag auch schon vielen der folgenden Anwendungen begegnet. Und bestimmt bestehen auch noch weitere Möglichkeiten, wie computerlinguistische Lösungen Sie und Ihre Kolleg.innen unterstützen können.

Übersetzungen am laufenden Band

Wir kennen alle DeepL, Google Translate und Co. Der Text in der Ausgangssprache kommt in den linken Kasten und rechts erscheint sogleich die Übersetzung in der Zielsprache. Ganze 28 Sprachen „spricht“ DeepL, Google Translate kennt sogar 133. Die Qualität der generierten Übersetzungen unterscheidet sich allerdings stark. Regelbasierte Wort-für-Wort-Übersetzungen enthalten oft Fehler, die sich auf die Zweideutigkeit der Sprachen zurückführen lassen. Und manche maschinellen Übersetzer kennen gewisse Redewendungen oder Phrasen schlichtweg nicht. Das ist not the yellow of the egg, es sei denn, man möchte beispielsweise lediglich die schnelle Kommunikation zwischen Anwender.innen ermöglichen. Technisch ausgereiftere Programme beruhen im Kontrast dazu auf tatsächlicher Textanalyse und -modellierung. Diese eigenen sich auch, um selbst anspruchsvollen Content unnachahmlich schnell aus oder in andere Sprachen zu übersetzen. Zumindest zum jetzigen Zeitpunkt empfiehlt es sich aber, maschinell übersetzte Texte stets noch einmal händisch zu überprüfen.

Rechtschreibhilfen: We finish each other’s sandwiches

Rechtschreibhilfen können längst mehr als Tippfehler finden. Manche Programme haben sich sogar zu digitalen Schreibassistenten erkoren, die all jenen, die (im übertragenen Sinne natürlich) Wort zu Papier bringen müssen, mit Rat und Tat zur Seite stehen. Mittlerweile geht das über Anmerkungen zum Geschriebenen hinaus; auch proaktive Vorschläge werden erzeugt. Kennt uns ein Programm gut genug oder kann sich zumindest auf genügend allgemeine Sprachdaten berufen, meint es zu wissen, was wir antworten würden und prophezeit, wie unsere Sätze enden könnten.

Dabei ist egal, ob es sich um eine technische Abhandlung, eine formelle E-Mail oder einen Social Media-Post handelt: Die Anwendungen versprechen uns alle schlauer und selbstbewusster klingen zu lassen – und uns schneller produzieren zu lassen. Wer beruflich viel oder unter Zeitdruck schreibt, profitiert sicherlich vom digitalen Redigier-Buddy. Allerdings gilt auch hier die Faustregel, dass die Programme (noch) nicht unfehlbar sind und Synonymie genau wie Ironie oder Sarkasmus oft fehleinschätzen.

Meine Kollegin die liebe KI

Ihr wahres Potenzial für Marketing und Kommunikation zeigt die Computerlinguistik bei der automatischen Datenanalyse. Hier sind die Möglichkeiten praktisch endlos. Mit den richtigen Algorithmen ausgestattet, können Bewerbungen, Mails oder Rechercheergebnisse ohne menschliches Zutun gesichtet und aufbereitet werden. Statt händisch Umfragen oder Analysen durchzuführen, wird umfassendes Opinion Mining möglich, bei dem Veröffentlichungen zu einem Thema oder Produkt gesammelt und in Rekordzeit zusammengefasst werden. Die sogenannte Sentimentanalyse erlaubt es den Programmen dabei sogar, Emotionen zu „verstehen“ und einzuordnen. Diese Eigenschaft ist besonders hilfreich, um den Kundenservice zu automatisieren. So kann beispielsweise ein Chatbot Ihren Mitarbeitenden den Rücken freihalten und oft gestellte Fragen automatisch beantworten.

Alles bleibt anders

Ja, NLP ist nicht perfekt und so manches sprachliche Zusammentreffen zwischen Mensch und Maschine geht immer noch schief. Aber alles in allem unterstützen uns NLP-Anwendungen bereits heute in vielerlei Hinsicht und in allen möglichen Bereichen. Manche Neuerungen stechen uns sofort ins Auge, trotz angenehmem Microsoft-Blau. Andere schleichen sich ein und werden schnell zur Norm, wie mein bodenloses Vertrauen in AutoCorrect (ironischerweise rot unterkringelt, keine Verbesserungsvorschläge von Word). Und obwohl man der Technik nicht zu misstrauen braucht, empfiehlt es sich dennoch, ihr nicht blind zu vertrauen. Denn menschliche Sprache ist extrem komplex. Und meiner Meinung nach sind wir von der vollautomatischen Content Creation noch weit entfernt – zumindest, wenn man KI nicht nur am grammatikalisch korrekten Output, sondern auch an ihrem Humor und ihrer Kreativität misst.