Die einen gelten als faul, empfindlich und anspruchsvoll – die anderen als festgefahren, leistungsfixiert und technikfern. Aber sind die Generationen wirklich so verschieden? Der Jugendforscher Simon Schnetzer räumt im Interview mit solchen Vorurteilen auf. Er erklärt, worauf es jungen Menschen bei der Berufswahl wirklich ankommt. Und wie Unternehmen diese Erkenntnisse für sich nutzen können. Zudem sprechen wir über seine Erkenntnisse aus der Trendstudie „Jugend in Deutschland 2025 mit Generationenvergleich“*.
Was waren Ihrer Meinung nach die wichtigsten Erkenntnisse der Studie?
Die Studie zeigt, dass sich – entgegen der gängigen medialen Darstellung – die Generationen in zentralen Punkten weniger stark unterscheiden als oft angenommen. Insbesondere das Vorurteil, junge Menschen seien faul oder nicht leistungsbereit, wird klar widerlegt. Mit 81 Prozent liegt die Vollzeitquote bei jungen Erwerbstätigen sogar deutlich höher als bei älteren Generationen. Insgesamt ist zu beobachten, dass sich die generelle Haltung zur Arbeit und Leistungsbereitschaft über alle Generationen hinweg verändert hat – es handelt sich also um einen gesamtgesellschaftlichen Wandel, nicht um ein generationenspezifisches Phänomen. Ein Unterschied besteht tatsächlich darin, dass junge Menschen ihre Forderungen deutlicher positionieren.
Und auch im Hinblick auf psychische Belastungen zeigt sich ein differenziertes Bild: Junge Menschen berichten häufiger über psychische Erkrankungen als ältere Generationen. Das ist neben einer veränderten Wahrnehmung auf derartige Krankheitsbilder vor allem auf einen steigenden digitalen Druck zurückzuführen. Der ständige „Always on“-Modus, der Zwang zur permanenten Erreichbarkeit und das Gefühl, nichts verpassen zu dürfen, führen bei vielen zu Überforderung. Hinzu kommt die permanente Präsenz negativer globaler Ereignisse über digitale Medien sowie ein hoher Vergleich mit anderen über soziale Netzwerke, was das subjektive Stressempfinden zusätzlich erhöht.

Welche Erwartungen hat die Generation Z an Arbeitgeber – besonders in scheinbar weniger „glamourösen“ Branchen wie der Logistik?
Die entscheidende Frage lautet nicht, ob eine Branche „glamourös“ wirkt, sondern ob sie als relevant und sinnstiftend wahrgenommen wird. Auch in der Logistik gibt es durchaus frühkindliche Begeisterung – etwa der Traum, Lkw-Fahrer:in zu werden –, doch diese geht im Laufe der Zeit oft verloren. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass diese Berufe von außen und auch innerhalb der Branche zu wenig wertgeschätzt werden.
Die Generation Z wünscht sich einen Arbeitsplatz, an dem Menschlichkeit, ein gutes Arbeitsklima und gegenseitiger Respekt gelebt werden. Am Beispiel von Berufskraftfahrer:innen zeigt sich in der Praxis, dass hier bereits kleine Dinge wie ein kostenloser Kaffeeautomat an der Verladestation oder ein freundliches Miteinander im Team viel bewirken können.
Und wie wird die Logistikbranche insbesondere für junge Menschen attraktiver?
Bevor sich die Logistikbranche attraktiv positionieren kann, muss sie überhaupt erstmal sichtbar werden. Vielen fehlt das Verständnis dafür, welche Berufe es in der Logistik gibt und wie vielfältig die Aufgabenfelder tatsächlich sind. Oft kennt man nur Berufskraftfahrer:innen – und selbst da fehlen konkrete Informationen: Wie läuft die Ausbildung ab? Wie bekommt man den Führerschein? Welche Entwicklungsmöglichkeiten gibt es?
Hier braucht es deutlich mehr Aufklärungsarbeit: Unternehmen sollten direkt in Schulen gehen, um aus erster Hand vom Arbeitsalltag, den Karrierewegen und persönlichen Erfolgsgeschichten zu berichten. Außerdem hilft es, sich auf Berufsmessen zu positionieren und Social Media zu nutzen. Gleichzeitig muss die Branche selbstbewusster auftreten und mehr Respekt für ihre systemrelevante Arbeit einfordern – gegenüber Politik und der Gesellschaft.
Wer mit diesen Maßnahmen Erfolg haben will, muss letztlich jedoch echte Perspektiven und ein klares Zukunftsversprechen bieten. Junge Menschen suchen keine Sackgassen, sie suchen Raum für Weiterentwicklung und den müssen Unternehmen Ihnen bieten.
Gibt es einen Wandel in der Bedeutung von Gehalt vs. Sinnhaftigkeit vs. Sicherheit bei der Jobwahl?
Ja, es gibt einen klaren Wandel – vor allem in der Gewichtung und im Zusammenspiel dieser drei Faktoren. Spätestens seit der Coronapandemie ist deutlich geworden, dass die Gehaltsfrage und die Bezahlung von Überstunden wieder stärker in den Vordergrund rückt. Gerade die jüngere Generation spürt die Auswirkungen von Inflation, Wohnungsnot, Wirtschaftskrisen und die wachsende Angst vor Altersarmut. Diese Unsicherheit trifft auf eine Generation mit oft geringer Finanzkompetenz und führt zu einem gestiegenen Wunsch nach finanzieller Stabilität. Das Gehalt wird daher nicht nur als Leistungsanerkennung, sondern zunehmend auch als Schutzschild gegen eine unsichere Zukunft wahrgenommen. Darüber hinaus spielt natürlich auch Jobsicherheit eine entscheidende Rolle.
Die Sinnfrage bleibt auch wichtig – sie hat sich aber verändert: Während ältere Generationen unter „Sinn“ häufig persönliche Erfüllung oder individuelle Entwicklung verstehen, bedeutet Sinnhaftigkeit für viele junge Menschen, einen Beitrag zu einer besseren Welt zu leisten – sei es durch Nachhaltigkeit oder gesellschaftlichen Mehrwert.
Sicherheit, Sinn und Gehalt stehen also nicht mehr im Widerspruch zueinander, sondern bilden ein neues Spannungsfeld. Junge Menschen wollen heute alles drei.
Was können Unternehmen aus diesen Erkenntnissen lernen?
Unternehmen sollten erkennen, dass junge Menschen nicht grundsätzlich anders „ticken“ – viele ihrer Wünsche und Bedürfnisse spiegeln letztlich das wider, was auch ältere Generationen sich wünschen: Sinn, Sicherheit, Wertschätzung und Entwicklungsmöglichkeiten. Der Unterschied liegt weniger in den Zielen als in den Rahmenbedingungen, unter denen junge Menschen heute aufwachsen: permanente Krisen, digitale Überflutung und finanzielle Unsicherheit.
Unternehmen können und sollten jungen Menschen stärker dabei helfen, sich auf die Zukunft vorzubereiten. Das umfasst nicht nur fachliche Qualifikation, sondern auch lebenspraktische Zukunftskompetenzen – zum Beispiel der Umgang mit Geld, Altersvorsorge oder psychischer Gesundheit.
Wer junge Menschen nicht nur integriert, sondern gezielt stärkt und mitgestalten lässt, investiert nicht nur in die nächste Generation, sondern auch in eine zukunftsfähige Unternehmenskultur.
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*Die Trendstudie „Jugend in Deutschland 2025 mit Generationenvergleich“ basiert auf einer soziografisch repräsentativen Befragung von 6.034 Personen im Alter von 14 bis 69 Jahren, die im Zeitraum vom 10.01.2025 bis 26.02.2025 durchgeführt wurde.
